Begegnung

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Ein See, es ist Sommer, der Wind raschelt durch grüne Bäume. Zwei Verirrte sitzen da und starren auf das Wasser.  Schweigen, Nachdenken, tief versunken aber doch ganz nah an der Oberfläche.  Man spürt es. Da platzt es heraus. Ganz ruhig. Worte, die kaum erzählt wurden, doch jemanden anvertraut werden wollten.  Verständnisvolles Nicken, Mitgefühl. Eine vorsichtige Bewegung, leichtes Streicheln auf dem Rücken, mehr Mut ist noch nicht da, die Ungewissheit zu groß.  Dankbare, freundliche und tief traurige Augen lassen es zu, in sie zu sehen, weiter als bis zum Blau.  Es steckt noch mehr dahinter, Stück für Stück entweicht es dem treuen Behüter. Vertrauen wird gewonnen, sanfte Tränen entweichen und rollen über die Wange. Erleichterndes Lachen.
Die Vögel zwitschern munter, der Wind säuselt liebliche Lieder. Sonst eine ruhende Atmosphäre, aber spannend.  Jedenfalls ein Herz pocht schneller, hören tun es nicht viele.  Den Moment noch nicht realisiert, ein Blick auf die Uhr. Der Zug fährt bald ein. Auf zum nahen Bahnsteig. Ein unangenehmes Quietschen und er ist da.
Es verabschieden sich Überraschte und Hoffende.
„Und bekomme ich noch meinen freundschaftlichen Kuss?“
Eine Frechheit die den Atem raubt. Auf die Wange,  ein fraglicher Kuss.
Im Zug ein Verdrehter, grinst dem Aufgemunterten, der  höflich, winkend wartet bis der Zug los zischt.

aufgewacht

Ein gutes Gespräch in guter Gesellschaft vergisst man nicht. So erging es mir vor knapp einem Jahr, man kannte sich irgendwie aber eigentlich überhaupt nicht. Ein Moment, warum auch immer er geschah, ein Gespräch entstand und veränderte alles in mir.

“  Wie geht es dir?“

“ Hm … und dir so?“

“ Naja … „

Ein Gespräch über Depressionen, Gesellschaft, Menschheit, das System, Musiker, Künstler, Politiker, Natur, Untergang und Rettung der Welt, die unaufhaltsame Gier nach Geld und Macht, Manipulation und Ablenkung, Hippies, Kiffen, Cannabis und andere psychoaktive Stoffe, über sich selbst und andere … über Träume, Visionen, Gedankenwellen … über  soviel.

Stunden erzählten wir, ich hörte zu, nickte, genauso war es, waren das nicht meine Gedanken die er aussprach? Warum dachte er genauso? Und er dachte noch viel mehr, war schon viel weiter vorraus mit den Gedanken. Woher weiß er soviel? Woher hat er die Ahnung? Er verband meine eigenen eher noch vereinzelten losen Gedanken zu einem ganzen System was Sinn ergab. Ich war gerührt. Hier war jemand der endlich Licht in meine wild wütenden Gedankenströme brachte. Ich war nicht allein mit diesen Vermutungen.

Und nun?

Neue Fragen kreisen durch meinen Kopf. Was tun? Was nur tun gegen diese Ungerechtigkeit in der Welt?

Hier ein Krieg, da eine Massenermordung, tausende nein Millionen von Flüchtlingen. Das Unglück breitet sich aus.

Wer sind die Schuldigen? Sind wir nicht alle schuld? Ja, wir alle sind schuld.

Nach diesem Gespräch war meine ganze Welt auf den Kopf gestellt. Nichts war mehr normal, ich stellte alles in Frage und die gesamte Menschheit, jeder einzelne Mensch war für mich ein Verbrecher.

Wie kann man über Germanys Next Topmodel reden, wenn auf der anderen Seite der Erde die Menschen ihr Essen auf dem Müll suchen.

Wie können die Meschen bei der WM jubeln, wenn dafür Menschen von ihren Wohnungen vertrieben wurden um Stadions zu bauen?

Dummheit, überall Dummheit.

Wir regen uns über nervige Eltern auf, andere Kinder verlieren ihre gesamte Familie, ihr zu Hause, alles.

Grau grau grau war meine Welt. Ich sank immer weiter in tiefe, endlos tiefe, schwarze Löcher. Da war kein Ausgang, wie könnte es auch einen geben? Die Menschen würden sich doch niemals ändern!

Niemand war mehr da zum reden. Niemand der mich verstand.

“ Klar die Welt ist unfair, aber deswegen musst du dich doch nicht so fertig machen. „

Es verstand niemand, da war nur noch meine Musik, meine Kopfhörer, meine Mütze, mit den Haaren, die mein Gesicht fast völlig verdeckten und die kühle Nacht.

Manchmal fand ich mich wieder zwischen Phasen der Leichtigkeit des tagelangen hungerns und Phasen des Ekels, nach vollstopfen mit allem was ging. Ich saß da in der Natur, unter einem Baum und weinte und sagte mir:

“ Du musst dich disziplinieren und zusammen reißen, was ist eigentlich dein Problem?  „

Das Gespräch, es war gut. Vielleicht hätte ich niemals weiter gedacht was ich damals ahnte. Der Fehler war der, dass ich zu viel nachdachte. Ich konnte keine Hoffnung finden, ich verdammte mich und erlaubte mir keine Glücklichkeit und keine Freude, dabei hatte ich ein schlechtes Gewissen, denn ich trauerte um die Erde.